Einzelschicksale - detailliert

KURT MAIER - Kippenheim

- Rettung in die USA

Kurt Maier wurde am 4. Mai 1930 in Kippenheim geboren. Seine Familie, bekannt als „s’Treineles“, betrieb dort einen Kolonialwarenladen. Gemeinsam mit seinem Bruder Heinz besuchte er die „Zwangsschule für jüdische Kinder“ in Freiburg, nachdem er in Kippenheim nicht mehr die Volksschule besuchen durfte. Als am 22. Oktober 1940 der Befehl für den Abtransport nach Gurs kam, ließen die Eltern die beiden Jungen noch schnell per Taxi von Freiburg nach Kippenheim kommen, damit sie nicht von ihnen getrennt werden. Da die Familie schon lange vor der Deportation einen Ausreiseantrag in die USA gestellt hatte, erhielt sie – gerade noch rechtzeitig – das ersehnte Visum für die USA, so dass sie das Lager Gurs verlassen konnte.

Kurt Maier kommt noch heute regelmäßig in seine Heimat in die Ortenau, um Zeitzeugenvorträge bis weit über dieses Gebiet hinaus zu halten.

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"Sofort nach der „Kristallnacht“ mussten wir die Volksschule verlassen. Jetzt mussten die Eltern eine andere Schule für uns finden. Überall in Deutschland ging es jüdischen Schülern ähnlich. Uns blieben nur noch die jüdischen Schulen. Nach mehreren Wochen fanden wir Aufnahme in der jüdischen Schule in Freiburg. Sonntagnachmittag nahmen wir den Zug von Kippenheim nach Freiburg, am Freitagnachmittag ging es wieder nach Hause. Es war wunderbar, durch die alten Straßen von Freiburg zu gehen: In den Schaufenstern lagen Sachen, von denen man in Kippenheim keine Ahnung hatte und dann der viele Verkehr!

Unter der Woche logierten wir bei der Familie Judas. Leo Judas war ursprünglich Metzger, er und seine Frau Hilde waren sehr freundlich zu uns. Sie hatten einen Jungen, Manfredle, mit dem ich gerne spielte. Ein älterer Sohn war schon nach England ausgewandert. 

Später in Gurs war ich mit Frau Judas und Manfred in derselben Baracke untergebracht. Manfred konnte noch im unbesetzten Frankreich untertauchen, seine Eltern kamen nach Auschwitz. 

Wo das Haus der Familie stand, wusste ich nicht mehr, bis ich Marlies Meckel und Gunter Demnig bei einer Stolpersteinverlegung begleitete. Es war im Haus Erbprinzenstr. 9.

Am 20. April 1939 feierte Deutschland den 50. Geburtstag des „Führers“. Freiburg war voller Fahnen und Lautsprechern… Die Straßen wimmelten von SA-Männern. Damals trug man noch nicht den Judenstern, sonst hätten wir uns nicht auf die Straße getraut…

In der Freiburger Schule lernten wir Deutsch, Rechnen, Geografie, Hebräisch und Englisch. Die meisten Schüler und Schülerinnen kamen nicht aus Freiburg, sondern aus den Städten und Dörfern der Umgebung wie Lahr, Offenburg, Emmendingen, Ihringen und Friesenheim. Eine der Lehrerinnen, Fräulein Dr. Hamburger, kleidete sich immer schön, trug Schuhe mit hohen Absätzen und war sehr hübsch. Sie kam nach Gurs und von dort nach Auschwitz.

Wir unternahmen auch einen Klassenausflug, zuerst gemeinsam mit den Mädchen, dann trennten wir Jungs uns von ihnen. Wir legten uns auf einem Hügel ins Gras und schauten auf einen Luftwaffenflugplatz. Dort stiegen Jagdflugzeuge auf und ab. Es war eine Abwechslung in unserem isolierten Leben…"

Aus: Kurt Maier: Unerwünscht (s. Lit.)
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Hier gibt es die ausführliche Lebensgeschichte:

Kurt Maier

Eva Cohn, Offenburg

Eva Cohn, geboren 1931, lebte mit ihren jüdischen Eltern und ihren zwei älteren Schwestern in Offenburg. Der Vater bekam 1939 die Einreisegenehmigung nach England – allerdings ohne seine Familie. Die Mutter Silvia und die älteste Schwester, die an Kinderlähmung litt, wurden in Ausschwitz ermordet. Eva und ihre Schwester Myriam überlebten dank der Kinderhilfsorganisation Œuvre de Secours aux Enfants (OSE) in einem französischen und einem Schweizer Kinderheim.

Während ihrer Zeit in Gurs  schrieb die Mutter zahlreiche Gedichte, die für Eva bis heute einen wertvollen Zugang zu ihrer Mutter bieten, da sie sich kaum an ihre Mutter erinnern kann. Zum 100. Geburtstag der Mutter wurden deren Gedichte in Offenburg veröffentlicht. Eva Cohn-Mendelsson hielt die Begrüßungsrede.

Hier gibt es die ausführliche Lebensgeschichte:

Eva Cohn

Alice Dreifuß, Kenzingen

- die Kämpferin für Menschenrechte

Die Eltern von Alice Dreifuß führten in Kenzingen ein Stoff- und Haushaltswarengeschäft und waren im katholischen Kenzingen sozial und kulturell integriert. Der Vater sang im Gesangsverein, kegelte, spielte regelmäßig Karten und auch die Mutter engagierte sich im Dorf an Fasnacht und auf dem Weihnachtsmarkt.

Für die kleine Alice, die im September 1931 geboren wurde, verliefen die ersten Lebensjahre glücklich und entspannt bis ihr Vater als Jude nach der Machtergreifung 1933 nicht mehr Mitglied im Sportverein sein durfte. Ihr Großvater und Vater wurden nach der Pogromnacht wurden ins Konzentrationslager Dachau verschleppt und das Geschäft geplündert. Neben vielen anderen Ausgrenzungen und Schikanen mussten die Eltern das Geschäft 1938 schließen.

Im August 1939 konnte die Familie Dreifuß – vier Tage vor Ausbruch des 2. Weltkriegs – trotz vieler bürokratischer Hürden – in die USA ausreisen. Die Großeltern aus Freiburg hatten jedoch keine Visa erhalten und wurden  1944 in Auschwitz ermordet. Alice Dreifuß-Goldstein wurde nach ihrer Ausreise zur Kämpferin für Menschenrechte.

Hier gibt es die ausführliche Lebensgeschichte:

Alice Dreyfuß

Margot Dreyfuss, Schmieheim 

- wie den Tod der Eltern überwinden?

Margot Dreyfuss kam als zweite Tochter der Familie Dreifuss 1925 in Schmieheim bei Lahr zur Welt. Ihr Vater betrieb einen Zigarrenhandel, da zu dieser Zeit in der Umgebung von Lahr noch in großem Umfang Tabak angebaut wurde. Die Verfolgung in Schmieheim begann 1934. Die ältere Schwester Charlotte konnte bereits 1938 in die USA ausreisen. Margot Dreyfuss konnte sich mit elf Jahren aber noch nicht vorstellen, von ihren Eltern getrennt zu sein und blieb bei ihnen in Schmieheim.

Die Familie wurde im Oktober 1940 nach Gurs deportiert und später in das Lager Rivesaltes verlegt, wo beide Eltern 1941 innerhalb von drei Wochen starben. Die Versuche der in die USA ausgewanderten älteren Schwester Charlotte wenigstens die jüngere Schwester Margot in Sicherheit zu bringen waren erfolglos. 1942 wurde Margot von der Hilfsorganisation Œuvre de Secours aux Enfants (OSE) aus dem Lager Rivesaltes gerettet. Nach der Befreiung Frankreichs begann Margot im Oktober 1944 für die OSE in einem Heim für heimatlos gewordene jüdische Kinder bei Paris zu arbeiten. Im August 1946 wanderte sie in die USA aus und arbeitete dort als Künstlerin. Sie starb 2007.

Margot Dreyfuss

Else und Alfred Geismar, Emmendingen

Alfred - der Verzweifelte

Nachdem die Zwangsschule für jüdische Kinder in Freiburg nach der Pogromnacht am 9. November 1938 geschlossen worden war, wollten die Eltern Alfred Geismar zu seinem Onkel Philipp Günzburger nach Basel bringen. Dort sollte er den Schulabschluss machen und eine Lehre als Koch beginnen. Mit 15 sollte der dann zu Verwandten nach Amerika ausreisen. Die zuständigen Schweizer Behörden verweigerten ihm jedoch die Aufenthaltsgenehmigung. Daraufhin schickten seine Eltern ihn nach Berlin, wo er eine Lehre als Schlosser machte. Von 1939 – 1941 lebte er dort im Jugendwohnheim der jüdischen Gemeinde. Nach seiner Lehre wurde er zu Zwangsarbeit in der Siemens-Schuckert-Werke AG verpflichtet. 1943 sollte er in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert werden – aus Angst davor beging er Selbstmord.

Else überlebte das KZ in Theresienstadt und wurde mit anderen Häftlingen am 8. Mai 1945 von der Roten Armee der damaligen UDSSR befreit.

Else und Alfred Geismar

Renate Haberer

– die ‚falsche Waise‘ in der Schweiz

Renate Haberer, am 23. Dezember 1932 geboren, lebte in Offenburg, wo sie aber nicht eingeschult wurde. Stattdessen besuchte sie bereits als 6-jährige die jüdische Zwangsschule für Kinder in Freiburg. Da der Schulweg so weit war, fuhr sie mit den Schwestern Eva und Myriam Cohn, die sich in der gleichen Situation befanden, immer am Anfang der Woche nach Freiburg, wo sie wochentags bei einer Tante in der Eschholzstraße wohnte. Am 22. Oktober mussten alle Schüler die Schule vorzeitig verlassen, nach Hause fahren und wurden in das Internierungsslager Gurs abtransportiert.

Nach vier Monaten menschenunwürdigen Lagerlebens konnte die jüdische Kinderhilfsorganisation  Œuvre de Secours aux Enfants (OSE) 50 Kinder aus dem Lager befreien. Von Februar 1941 bis März 1942 war sie in einem Waisenhaus in der Nähe von Toulouse untergebracht. Ende 1942 floh sie auf abenteuerliche Weise mit ihrer jüngeren Schwester in die Schweiz. Bis zum Kriegsende verbrachten die beiden Schwestern in der Schweiz. Obwohl ihr Vater bereits 1938 nach Dachau verschleppt worden war, hatte die ganze Familie durch die Hilfe der Resistance die Zeit des Nationalsozialismus in Südfrankreich überlebt und konnte im Juni 1947 nach Amerika auswandern.

Renate Haberer

Nelly Heilbrunner 

- zwei Stille Heldinnen retteten ihr das Leben

‚Meine Ururoma hat in der Nazizeit jüdische Kinder in Bollschweil versteckt und gerettet‘, verriet der Schüler Pius Koch im Januar 2017 der Klasse 6a in der Lessing-Realschule Freiburg. Bald war klar, dass es sich um die ehemalige jüdische Schülerin der Zwangsschule Nelly Heilbrunner (1926 - 2002) und Teile ihrer Familie handelte. Die gebürtige Freiburgerin musste mit ihren beiden jüngeren Brüdern Rolf (ca. 1924-1997) und Max (ca. 1924??-2012) und mit ihren Eltern Oskar und Emma Heilbrunner im Dezember 1944 von der Elsässerstraße 57 nach Bollschweil fliehen. Sie wohnten damals im Verwaltungsgebäude des jüdischen Friedhofes, dessen Verwaltung der Vater 1939 übernehmen konnte, nachdem sein Schrotthandel-Unternehmen ‚arisiert’ worden war. Das Haus war in der Bombennacht in Freiburg am 27.11.1944 zerstört worden. Viele Juden Freiburgs waren schon ins Exil gegangen oder wurden in Lager deportiert und kamen dort ums Leben. So lebten nur noch wenige Bürgerinnen und Bürger jüdischen Glaubens in Freiburg – meist geschützt durch eine sogenannte ‚privilegierte Mischehe’. Unter diesen Bedingungen Wohnraum zu finden, war undenkbar. Bis zur Flucht nach Bollschweil lebte die Familie Heilbrunner deshalb notdürftig auf dem jüdischen Friedhof zwischen den Grabsteinen. Es fand sich ein außergewöhnliches Versteck bei Agathe Burgert in Bollschweil.

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Beim erstmaligen Treffen 2018 zwischen Nachkommen der geretteten Familie und der Retterfamilie entstanden eindrucksvolle Tondokumente (siehe www.future-history.eu, Block, Wettbewerb ERINNERUNG SICHTBAR MACHEN-80Jahre Reichspogromnacht). Sie machen deutlich, wie wichtig die heutige Aufarbeitung der Untaten in der Zeit des Nationalsozialismus ist, und sie führen die gegenwärtige ‚Schlussstrich-Diskussion‘ ad absurdum.

Nelly Heilbrunner

Wiltrude Hene

– gerettet durch Zivilcourage

Wiltrude Hene, 1927 in Ludwigshafen geboren, war die älteste Tochter von Flora Judas-Hene und Sigmund Hene in Hassloch in der Pfalz, wo der Vater ein kleines Stoffgeschäft betrieb. 1935 wurde ihr Vater in aller Öffentlichkeit verprügelt und verhaftet. Die Mutter konnte das Geschäft alleine nicht halten, da durch den Boykott vom 1. April 1933 immer weniger Leute dort eingekauften. Mutter Flora, nun allein mit fünf Kindern, zog 1936 mit ihren Kindern in ein Haus in Eichstetten, der Heimat ihrer Großmutter. Nach den Ereignissen der Reichspogromnacht im November 1938 konnte Flora Hene drei ihrer Kinder im Ausland in Sicherheit bringen.

Wiltrude besuchte die ‚Zwangsschule für jüdische Kinder‘ in der Lessingschule in Freiburg. 1940 wurden die etwa 40 noch in Eichstetten lebenden Angehörigen der jüdischen Gemeinde aus ihren Häusern vertrieben und zwangsweise in einer Art Klein-Ghetto interniert. Während die Erwachsenen das Haus nicht verlassen durften, konnten sich die Kinder frei bewegen. Wiltrude konnte den Bauern bei der Feldarbeiten helfen, bis sie am 22. Oktober 1940 in das Internierungslager Gurs in Südfrankreich abtransportiert wurde. 1941 wurde sie durch das Schweizer Rote Kreuz aus dem Lager befreit und in französischen Kinderheimen untergebracht, bis sie von den Einwohnern des Ortes Chambon-sur-Lignon bis 1945 unter falschem Namen und mit gefälschtem Ausweis lebte, bis sie versteckt wurde. Als ‚Marie Louise Lagier‘ überlebte Wiltrude dank der Dorfbewohner die Zeit des Holocaust. Ihre Flucht endete bei Ordensschwestern in einem katholischen Heim in Lyon. Wiltrude Hene war auf dem ersten Schiff, das Bordeau Richtung New York verließ.

Wiltrud Hene

Richard Levi

 - Rettung in England

Am 9. April 1927 wurde Richard Levi in Freiburg geboren und lebte mit seinen Eltern in Friesenheim, wo die Eltern ein Geschäft für Eisen-, Metall- und Kurzwaren betrieben. Dort besuchte er auch die Dorfschule, bis er auf die ‚Zwangsschule für jüdische Kinder‘ in der Lessingschule in Freiburg wechseln musste. Die Eltern erkannten frühzeitig, dass das Leben in Deutschland nicht mehr sicher war und schickten ihn im März 1939 mit einem Kindertransport nach England. 10.000 Kinder wurden so gerettet.

Der Kindertransport war von englischen Privatleuten organisiert worden, die für alle anfallenden Kosten inklusive Unterkunft aufkommen und garantieren mussten, dass die Kinder nicht dem Staat zur Last fallen würden. Als er im März 1939 mit vielen anderen Kindern über Holland nach England fuhr, sah er seine Eltern auf dem Offenburger Bahnhof zum letzten Mal. Für die beiden Häuser, die seine Eltern in der Zeit des Nationalsozialismus zu einem extrem niedrigen Preis verkaufen mussten, sind er und seine Familie nie entschädigt worden.

Richard Levi

Kurt Lion

- der jugendliche Partisan

Kurt Lion wurde im April 1926 als Sohn eines Viehhändlers und Metzgers in Ihringen geboren. Ab dem 5. Schuljahr durfte Kurt nicht mehr die Dorfschule  in Ihringen besuchen und musste auf die jüdische Schulabteilung der Lessingschule in Freiburg wechseln. Im Oktober 1940 wurde er – wie die meisten Juden in Baden – nach Gurs deportiert. Sein Vater starb 1941 im Lager Rivesaltes, seine Mutter wurde 1942 in Auschwitz umgebracht.  Seine beiden Schwestern überlebten, weil sie schon 1938 zu den Tanten in die USA auswandern konnten.

Kurt war nach der Deportation in den Lagern Gurs und Rivesaltes interniert und musste dort als jugendlicher Zwangsarbeiter Latrinen ausheben, Hilfstransporte entladen und medizinische Ausrüstungen putzen.

1942 konnte er aus dem Lager fliehen, wurde aber wenige Monate später entdeckt, wieder verhaftet und in das Lager Casseneuil gebracht. Erneut gelang ihm die Flucht, dieses Mal durch einen Abwassergraben. Unter falschem Namen tauchte er in Frankreich unter. Wiedergeboren als „Georg Grunert“ schloss er sich im Alter von 16 Jahren den französischen Partisanen an. Kurt Lion arbeitete hinter der Frontlinie und betrieb Sabotage bis die Alliierten in der Normandie landeten.

Kurt Lion

Eugen Moses

- die tragische Reise nach Kuba

Als Hitler an die Macht kam, war Eugen Moses 7 Jahre alt. Den Boykott der jüdischen Geschäfte bekam seine Familie, die in Haslach im Kinzigtal lebte, stark zu spüren. Eugen Moses besuchte zunächst die jüdische Internatsschule in Frankfurt. Als dies aufgrund des wirtschaftlichen Niedergangs nicht mehr finanzierbar war, kam er in die jüdische Schulabteilung der Lessingschule in Freiburg. Ein glücklicher Umstand verhinderte, dass der Vater nach der Reichspogromnacht nach Dachau verschleppt wurde.
Die Ausreisebemühungen schienen mit den „Rundreise-Tickets Hamburg-Kuba“ mit einem Passagierschiff endlich Erfolg zu haben. Die Stimmung auf dem Flüchtlingsschiff war geprägt von Hoffnung und Erleichterung aber auch von einer ungewissen Zukunft. Der Streit zwischen dem kubanischen Innen- und Schifffahrtsminister über die Verteilung der Beute – d.h. über den Besitz der Passagiere – führte dazu, dass die jüdischen Flüchtlinge in Kuba nicht an Land gehen durften. Nach schwierigen Verhandlungen und dem unermüdlichen Einsatz des Kapitäns sowie der jüdischen Emigrations- und Hilfsorganisation JOINT landeten die über 900 Flüchtlinge in Antwerpen, von wo aus sie auf Belgien, Holland, Frankreich und England verteilt wurden.
Eugen Moses kam in Frankreich in das ein Heim der jüdischen Kinderhilfsorganisation  Œuvre de Secours aux Enfants (OSE). Glücklicherweise erhielt der Vater 1940 die Berechtigung und die Papiere zur medizinischen Behandlung in den USA. Am 15. Mai 1940 konnte die Familie Europa in Richtung USA verlassen. Eugen Moses blieb in den USA, änderte seinen Nachnamen in Moser und starb dort im Dezember 2011.

Eugen Moses

Rita Rosenberger 

- überlebte das KZ Theresienstadt

Die ehemalige Zwangsschülerin Rita Rosenberger wurde 1925 in Freiburg geboren und mit ihren Eltern am 23. August 1942 nach Theresienstadt deportiert. Wie durch ein Wunder überlebten Rita Rosenberger und ihre Eltern zwei Jahre und acht Monate Haft und kehrten nach Freiburg zurück.

Rita Rosenberger wanderte 1947 nach New York / USA aus.

Rita Rosenberger

Esther Schärf

- kein Strandbad, kein Kino, kein Theater

Esther Schärf wurde am 22. April 1924 als Tochter einer wohlhabenden Familie in Freiburg geboren, wo sie später unter den Judengesetzen sehr zu leiden hatte. Der Vater war Inhaber eines Möbel-Aussteuer-Geschäfts in der Bertholdstraße gegenüber dem Stadttheater. In der Mädchenrealschule (heute Goethe Gymnasium) musste sie mit erhobener Hand das Horst-Wessel-Lied singen. Nach dem Erlass der Judengesetze durfte sie nicht mehr ins Strandbad, ins Kino, ins Theater und nicht ins Kaffee-Haus: Der Zutritt war Hunden und Juden verboten. Dass sie als Jüdin die Schule wechseln musste, traf Esther besonders hart, da sie eine sehr gute und wissbegierige Schülerin war.

Esther litt unter dem Judenhass, der nach der Machtübernahme und dem Erlass der Judengesetze offen zu Tage trat. Treffen mit Freunden waren nur noch in kleinen Gruppen in geschützten Räumen möglich. Im Haus der jüdischen Witwe Schmuckler in der Gerberau gab es solche Räume und sogar einen koscheren Mittagstisch. Bereits 1938 erhielten Esthers Eltern das ersehnte Zertifikat für Palästina und konnten sich noch vor der ‚Kristallnacht‘ durch die Auswanderung retten.

Esther Schärf 

Lotte Schwab

 - gerettet durch die Quäker

Lotte Schwab war 4 Jahre alt, als ihre Mutter 1932 an Lungenentzündung starb. Da sie keine Geschwister hatte, wurde Lotte nach der Verhaftung ihres Vaters durch die Nazis 1933 von den Geschwistern ihres Vaters in Villingen aufgenommen. Ab 1938 durfte Lotte Schwab die Schule in Villingen nicht mehr besuchen und wurde zunächst von ihrem Onkel zu Hause unterrichtet. 1939 wurde sie dann in Freiburg in einer jüdischen Pension in der Gerberau aufgenommen, um die Zwangsschule zu besuchen bis sie mit den anderen badischen Juden am 22.Oktober 1940 in das Internierungslager Gurs abtransportiert wurde.

In Gurs traf die mittlerweile 12-jährige Lotte ihren Vater, ihre Tante und ihren Onkel aus Villingen wieder. Im Januar 1941 kam sie in ein französisches Kinderheim. Von dort aus konnte sie im September 1941 mit einem Kindertransport der Quäker nach Amerika ausreisen. Sie wurde in Mount Vernon in der Nähe von New York City von der Cousine ihres Vaters aufgenommen. “Ich weiß nicht, was mit meinem Vater geschah,...“, hatte sie schon beim ersten Telefonat mit geteilt.
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Im Mémorial de la SHOAH in Paris erinnert und mahnt eine WALL OF NAMES an über 70.000 Menschen jüdischen Glaubens - darunter 10.000 Kinder - die von Frankreich aus in die ›Vernichtungslager‹ in Polen deportiert wurden. Auch die Geschwister Sally, Heinrich und Martha Schwab sind auf die Wand geschrieben, damit ihr Schicksal nie vergessen wird.
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Lotte Schwab

Anneliese Judas > Ann Matz
Karl Judas

- versteckt in Freiburg

Die Familie von Anneliese Judas war in Ihringen gut integriert. Der Vater von Anneliese hatte im Ortszentrum ein gut gehendes Bekleidungsgeschäft und war in den Stadtrat gewählt worden. Mit der Machtübernahme der Nazis im Jahr 1933 änderte sich dies radikal. Deshalb zog die Familie bald nach Freiburg, wo die Stimmung gegenüber Juden nur zunächst noch besser erschien.

Durch eine spektakuläre Rettungsgeschichte mit Hilfe des Freundes und Kriminalpolizisten Fritz Schaffner gelang schließlich die Flucht. Zunächst konnte die Deportation der Familie am  22. Oktober 1940 verhindert werden, weil ein Arzt dem Vater Gustav Judas im Krankenhaus Transportunfähigkeit bescheinigte. Dann begann die Zeit des Verstecktseins in der Starkenstraße 39. Nur noch der 15-jährige Karl wagte es mit dem Fahrrad das Versteck zu verlassen, um Nahrungsmittel zu besorgen.

Anneliese Judas

Kurt Judas

– “I shall never come back”

Dies hatte sich Kurt Judas geschworen, als er 1991 zum ersten Mal zurück in seine Heimat eingeladen wurde. Ihringer Bürger hatten ihn nach der Schändung des jüdischen Friedhofs in seine ehemalige Heimat Ihringen eingeladen. Er überlebte den Holocaust als Waisenkind.

2004 wurde er aus Anlass der Woche des Erinnerns und Begegnens an der Lessing-Realschule noch einmal eingeladen und gab der Geschichtswerkstatt die Ehre eines Besuches. In einer bewegenden Rede erzählte er uns seine Geschichte. Nachdem beide Eltern aus dem Lager Rivesaltes in Südfrankreich in Richtung Osten deportiert worden waren, was für sie der sichere Tod im KZ Auschwitz bedeutete, war er in fünf verschiedenen Kinderheimen, wobei er im ersten sexuell missbraucht worden war. Am Ende war er ein Waisenkind.

Kurt Judas

A. Paul Reutlinger -
Lehrer an der Zwangsschule

Adolf Paul Reutlinger (1910-1986) war einer der letzten Lehrer an der Zwangsschule für jüdische Kinder in Freiburg. 
Sein Überleben verdankt er der Flucht aus dem Camp Rivesaltes. Paul und Alice Reutlinger konnten sich Anfang August 1942 auf dem Dachboden einer Kinderbaracke im Camp Rivesaltes verstecken. Jacqueline Lévy, eine 18-jährige französische Jüdin, die Freiwilligendienste leistete, brachte ihnen einmal am Tag Essen in ihr Versteck...
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1925, als Paul 15 Jahre alt war, ging seine Mutter in die USA, wohin viele ihrer zehn Geschwister bereits ausgewandert waren. Er blieb alleine zurück.
Nach dem Schulabschluss wurde er in Würzburg zum Kantor und Lehrer ausgebildet. Er arbeitete u.a. als Kantor in Lörrach, wo er Alice Geismar kennenlernte, die er am 16. Juni 1935 heiratete. Ihr erstes Kind Ronia wurde am 16. Dezember 1936 geboren.
Zuvor war er wegen ›Rassenschande‹ kurzfristig verhaftet worden, da er sich mit einem ›arischen‹ Mädchen eingelassen hatte - eine erste extreme Erfahrung mit dem Rassismus im Nationalsozialismus. Die zweite unbeschreiblich grausame Erfahrung musste Adolf Paul Reutlinger im KZ Dachau machen. Wie Tausende andere jüdische Männer wurde auch er nach der Reichspogromnacht dorthin verschleppt.
1939-1940 Lehrer an der Zwangsschule für jüdische Kinder in Freiburg Nach der Reichspogromnacht wurde Paul nach Freiburg versetzt. Dort übernahm er ab März 1939 mit zwei jüdischen Lehrerinnen bis zum Tag der Deportation den Unterricht an der Zwangsschule für jüdische Kinder.

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Einmalig für uns war die Begegnung mit der Tochter und zwei Enkelinnen des letzten Lehrers A. Paul Reutlinger. Im Jahr 2017 fanden sie uns während der ersten Deutschlandreise der inzwischen 80 jährigen Tochter Ronja Beecher. Ein wunderbarer Austausch entstand. Und im Herbst 2018 sprach die inzwischen redegewandtere Ronia, die mit 4 Jahren mit den Eltern ins Lager Gurs deportiert wurde, vor vielen Klassen in drei Freiburger Schulen. Eine außergewöhnliche Fluchtgeschichte aus dem Lager Rivesaltes lernten wir kennen.

A. Paul Reutlinger

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